Teil 8:
In dunklen Hallen, innerhalb eines von Schatten und Nebel verhüllten Gebäudes aus Säulen und Türmen, liefen hastig einige düstere Gestalten auf und ab. Sie waren humanoider Statur und trugen alle die gleiche, schwarze Kapuzenrobe. Auf der Vorderseite selbiger war ein Kreuz abgebildet, das aus Knochen und Kerzen zu bestehen schien, und an den ebenso schwarzen Gürteln der huschenden Schemen hingen wahlweise ein langer Dolch, ein dickes, schwarzes Buch, oder ein kleiner Beutel, in dem sich, der Geräusche nach, Knochenbruchstücke befanden.
Die dunklen Gestalten, die ein Kenner sofort als Totenbeschwörer erkannt hätte, kreischten aufgeregt Dinge wie
"In Valen gibt's neuerdings viele verwertbare Leichen!",
"Der Schattenfürst soll in Shara'doa gesichtet worden sein!", oder aber
"Wir sollten den Meister fragen, ob Dämonenleichen wiedererweckt werden können...". Ihre größte Sorge schien jedoch zu sein, dass sie für einen ihrer Fehler kräftig bestraft werden würden.
Ein paar Räume weiter, einige Stockwerke tiefer, stand Nekrolord Can'thresh mit zusammengekniffenen Augen vor einer Reihe von jungen Totenbeschwörern in ihren schwarzen Kutten; das heißt, einer von ihnen trug zivile Kleidung, und genau
diese Ausnahme besaß nun Can'threshs ungeteilte Aufmerksamkeit.
"Du kennst die Regeln?"
Überflüssigerweise nickte der Novize bejahend.
"Natürlich, Nekrolord." "Und dennoch erscheinst du hier, ohne deine Robe?" Seine Augen scheinen immer schmaler zu werden.
Der junge Mann zitterte nervös. Bei dem schwarzen Orden der Nekromanten war es ein niedergeschriebenes Gesetz, dass ausnahmslos alle Totenbeschwörer die schwarze Nekromantenrobe tragen mussten. Vorsichtig antwortete er:
"Nun... ich habe gestern ein wenig mit Feuermagie herumexperimentiert, und da habe ich sie ausversehen-" "Spar' dir deine Ausreden!" Can'thresh wurde langsam zornig.
"Du kennst die Regeln und hast es dennoch gewagt, hier ohne Robe zu erscheinen. Du kannst froh sein..." Dem Novizen liefen Tränen der Verzweiflung über die Wangen.
"..., dass Totenkönig nicht hier ist. Denn, im Gegensatz zu der seinen, wirst du nach meiner
Strafe noch am Leben sein."
Der Totenbeschwörer nickte dankbar, aber sein Unglück war nicht zu verbergen.
"Dann geh nun und hole dir eine neue Robe."
Der Novize verschwand hastig, dann besah sich der Nekrolord der anderen.
"Möchte mir sonst noch jemand etwas sagen?"
Die Schüler der Totenmagie schwiegen, dann hob einer vorsichtig die Hand.
"Ja?" "Was wäre denn Totenkönigs Strafe, Herr?"
Can'thresh grinste hämisch.
"Er würde ihm bei lebendigem Leibe die Knochen rausreißen."
Im Obersten Geschoss der schwarzen Schule betrachtete ein anderer Nekromant eine Sammlung von verschiedenen Phiolen, davon sah eine giftiger aus als die andere. Was an dem Nekromanten als erstes auffiel, war, dass auch er keine einfache Nekromantenrobe trug; seine Kleidung bestand aus einer braunen Lederrüstung, einer graubraunen Robe, einen Säbel an seiner linken, einen langen, mit Knochen verzierten Stab an seiner rechten Hand, und einer knöchernen Krone auf seiner grauen Kapuze, aus der wiederrum gelblich seine Augen herausstachen.
Als er ein Klopfen an der Tür hörte, schwang sie wie durch Magie auf und ein Bote trat herein.
Mit einer Verbeugung sagte er:
"Meister. Ich habe Euch etwas dringliches mitzuteilen!" "Das kann ich mir vorstellen", erwiderte Totenkönig.
"Nun..." Der Bote dachte kurz nach.
"An den Grenzen zu Valen verrotten haufenweise Leichen, Herr. Leichen, die weit sinnvoller genutzt werden könnten." "So? Wie kommt es dazu?" "Nazuan, Herr." Der Bote schien zu glauben, dass das alles erklärte; er irrte sich.
"Wer soll das sein?"
Die Augen des Boten weiteten sich leicht ungläubig.
"Sagt bloß, Ihr habt noch nie etwas von Nazuan
gehört, Herr..." "Sollte ich das?"
Der Bote nickte, und fügte dann sicherheitshalber hinzu:
"Er war einst ein sehr bekannter Mörder aus Kura'til. Danach wurde er getötet und von Totengott Rathma als Diener wiedererweckt. Dann ist er öffentlich hingerichtet worden, und nach einer erneuten Reinkarnation hat er Valen besetzt." "Ah. DER Nazuan." Totenkönig schien zu verstehen.
"Mein alter Meister hat mir viel über ihn erzählt; zuletzt, dass er sich in ihm getäuscht hätte und er verweichlicht sei. Offenbar irrte er sich, denn erst von einigen Jahrhunderten wurde er von ihm getötet."
Der Bote kratzte sich nachdenklich am Bart.
"Nun... jedenfalls... Dort liegen tausende von Leichen, weil der anthrazitfarbene Kreuzzug ihn ununterbrochen angreift." "Anthrazitfarbener...? Hm. Ich glaube, ich sollte etwas unter die Leute gehen; ich kriege scheinbar überhaupt nicht mehr mit, was in der Welt vor sich geht." Da der Bote auf eine Antwort zu warten schien, fügte Totenkönig hinzu:
"Sag dem, wer auch immer dich geschickt hat, dass ich mir das aus der Nähe ansehen werde."
Der nächste Kreuzzugshauptmann fiel unter dem Sturm von Razzinoths Axthieben. Der Albtraumminotaure brüllte einen Kriegsschrei in seinen stählernen Maulkorb und drängte damit einige Kreuzzügler zurück. Dann betrachtete er die Scharen von Kriegern, die weiterhin in den Kampf eingriffen und die Soldaten des Kreuzzugs unterstützten.
Hört das denn nie auf?, fragte er sich nicht zum ersten Mal, aber er erhielt keine Antwort - die Frage war ja auch nur in Gedanken gestellt worden.
Auf einmal bemerkte er, dass der Kampfeslärm verebbte - auf eine unheimliche Art und Weise. Leicht besorgt durch die Totenstille konzentrierte sich Razzinoth wieder auf das Schlachtfeld, nur um zu erfahren, dass seine Krieger besiegt waren und die Kreuzzügler langsam auf ihn zukamen. Razzinoths Augen weiteten sich überrascht, dann sah er den verantwortliche Anthrazitgeneral. In einer dunkelblauen, goldverzierten Rüstung stand er, mit einer blau glühenden Claymore in der Hand, zwischen mehreren Leichen von Albtraumdämonen und blickte ihn herausfordernd an.
Razzinoth besah sich der Lage, und er erkannte, dass er zahlenmäßig wie kräftemäßig unterlegen war, also beschloss er, sich vorerst zurückzuziehen. Er kreuzte seine Streitäxte, schwang sie - was einen tobenden Sturm verursachte, der die Soldaten dazu brachte, die Augen zuzukneifen - und nutzte die Ablenkung, um sich aus dem Staub zu machen.
Anthrazitgeneral Rammoth'ari blickte dorthin, wo eben noch der Minotaure gestanden hatte, dann huschte ein triumphierendes Lächeln über seine Züge.
"Kreuzzügler!", rief er,
"Dieser Kampf geht an uns! Setzen wir den Plan in die Tat um und marschieren ein!"
Die Soldaten jubelten einen kurzen Augenblick, dann wurden sie wieder ernst und machten sich auf, einen Stützpunkt hinter den feindlichen Linien zu errichten.
Während die Kämpfer des Kreuzzuges ihr Lager errichteten, hielten vier Krieger desselben Wache in der Bresche, in der die Kämpfe stattgefunden hatten. Sie unterhielten sich über dies und das und über irgendwas, aßen ein wenig, spielten Karten oder duellierten sich. Doch sie waren nicht so sehr beschäftigt, als dass sie den Zombie nicht bemerkt hätten, der suchend zwischen den Leichen auf und ab ging.
"Hey! Was... bist du denn für einer?"
Der Zombie hob seinen Kopf, dabei flogen seine langen farblosen Haare umher. Sein herunterhängender Kiefer hinderte ihn jedoch nicht daran, zu antworten.
"Scrabble ist hier, weil sein Herr es so will." "Das... beantwortet nicht meine Frage. Wer oder was bist du? Und was willst du hier?!" Der Soldat hatte seine Waffe gezogen, seine Kameraden taten es ihm gleich.
"Ähh..." Der Zombie schien ein wenig überfordert.
"Sein Herr befiehlt ihm, hier nach geeigneten Leichen zu suchen und ihn zu rufen, wenn Scrabble welche findet." "Geeignete... Leichen...?!" Dem Soldat schien übel zu werden.
"Wer ist dein Herr, ein Vampir etwa? Oder ein Kannibale?!" "Ähh..." Der Zombie überlegte.
"Scrabbles Herr ist ein Totenbeschwörer." Der Zombie widmete sich wieder seiner markaberen Aufgabe und schien einen "guten" Toten gefunden zu haben. Er hob seinen Kopf in Richtung des Waldes und rief:
"Er hat einen, Herr!"
Ein Schemen löste sich aus den Schatten des Waldes.
"Gut..." "He, wer...?!" Als der Soldat die knöcherne Krone auf dem Haupt seines Gegenübers sah, wurde er kreidebleich.
"Du... du bist... du bist doch..."
Totenkönig streckte seine Hand aus, und es war nur ein schreckliches Knacken zu hören. Fast wortlos ging er an den Soldaten mit gebrochenem Genick vorbei.
"Komm, Scrabble. Wir haben was zu erledigen." Dann wandte er sich einer geeigneten Leiche zu, hob abermals die Hand, und während dunkle Schatten aus den Gebeinen krochen, richtete sich der nun Untote auf und betrachtete seine Umgebung sowie seinen "Retter".
"Egal, wer du auch im Leben gewesen sein magst; jetzt bist du mein Diener, also mach' dich nützlich und kundschafte ein wenig die Gegend aus. Gib mir ein Zeichen, wenn du eine Ansammlung von verwendbaren Toten findest." Totenkönig winkte verscheuchend mit der Hand und das Skelett torkelte davon.
Fortsetzung folgt...
Ich weiß, ihr seid traurig, dass Nazuan nicht vorkam, aber seid lieber froh, dass mir noch was eingefallen ist, das ich schreiben kann