Ja, ich habe es doch noch geschafft, heute was zu schreiben. Sogar nicht zu wenig, wie ich finde. Außerdem findet eine Art Teil-Enthüllung statt, die näheren Umstände und Beweggründe werden in der Anstalt geklärt.

Viel Spaß beim Lesen.
Kapitel Drei – Therapy Failed
Zu Hause angekommen warf Foletta müde seinen Mantel in einen Sessel, machte das Licht an und versuchte, die geradezu kryptisch anmutenden Zahlen an seiner Wanduhr zu entziffern. Mit zusammengekniffenen Augen und unter einiger Mühe konnte er erkennen, dass es gerade einmal halb 8 abends war. Er fühlte sich so schrecklich müde, zwang sich aber, die Notizen des heutigen Tages noch einmal durchzugehen und sich vor allem die Audioaufnahmen anzuhören, um irgendetwas rauszuhören, was ihm weiterhelfe. Entgegen seinen Erwartungen hatte dieser Fall sein Interesse geweckt, mehr als jeder Fall zuvor, mehr als jeder Fall, den er als privater Psychiater je hatte. Er nahm sich vor, morgen früher in der Anstalt, er musste sich zwingen, nicht „Irrenhaus“ zu denken, erscheinen würde. Vielleicht war Michael frühmorgens kooperativer. Antonio bezweifelte es. Seufzend setzte er sich in einen bequemen Ledersessel, nahm sowohl das Diktiergerät als auch seine Notizen zu sich und begann, die Aufnahme abzuhören. Die spöttische Stimme seines Patienten drang metallisch verzerrt aus dem Gerät.
Aber natürlich ist es okay für mich, Doc.
Erneut stieg Wut in Foletta auf. Er wusste, er durfte sich nicht provozieren lassen, sollte sich nicht persönlich angreifen lassen, aber er konnte nichts tun. Dieser Mann traf einen Punkt an ihm, der ihn zum Kochen brachte. Währenddessen lief die Aufnahme weiter.
[...]Männer prügeln ihre Frauen halbtot, andere missbrauchen Minderjährige, Staatsoberhäupter zetteln nukleare Kriege an, aber ich werde für verrückt, pardon, „geistig gestört“ erklärt? Das ist wirklich wahnsinnig.
Antonio dachte lange über diese Worte nach. Michaels Vergleich war ziemlich aus der Luft gegriffen und nur dazu gedacht, sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, nichtsdestotrotz enthielt er ein Körnchen Wahrheit. Wer durfte entscheiden, welcher Mensch verrückt war, und welcher nicht? Andere Menschen?
Quis custodiet ipsos custodes?
Während Antonio immer noch über diese Aussage Michaels nachdachte, schickte das Diktiergerät schon die nächste durch die Luft.
Es war ein Kunstwerk. Eine Komposition. Absolute Macht über Leben und Tod. Absolute Macht über Leben und Tod. Michael war eindeutig kontrollbesessen, und er genoss es, wenn er die Kontrolle besaß. Die langen Jahre der Haft mussten wortwörtlich die Hölle für ihn sein, sie verhießen immerhin kompletten Kontrollverlust.
Dann fiel Foletta plötzlich wieder der angeekelte, fast entsetzte Ausdruck auf Michaels Gesicht auf, als er ihm die Hand reichen wollte. Erst jetzt fiel Antonio auf, dass sie sich auch beim Hereinkommen nicht begrüßt hatten. Das bedeutete entweder, dass Michael extrem unhöflich war oder dass er an einer, eventuell durch seine Misanthropie hervorgerufene oder verstärkte, Angst litt, andere Menschen zu berühren. Foletta notierte sich auch das, unterstrich einige andere seiner Notizen, strich welche wieder weg und legte seinen Block, als er fertig war, vor sich auf den Tisch. Das konnte er lesen:
Agaraphobie
misanthroper Einzelgänger
angewidert durch menschliche Nähe (= Einzelhaft?)
Soziopath, mitleidslos
hochintelligent
5-facher Mord
Selbstüberschätzung, großes Ego, fast narzisstisch
Eventuell schizophren, könnte vorgetäuscht sein
Beim Anblick dieser Liste wurde Antonio eins klar: Die Morde, die Michael verübt hatte, waren nicht aus nächste Nähe verübt wurden, außerdem sprach er von einem Kunstwerk, was auf saubere, gut geplante Tötung hindeutet. Des Weiteren war Michael wahrscheinlich zu clever, um einen fatalen Fehler zu machen, ergo musste er geschnappt werden wollen.
Langsam dämmerte es Antonio. Auch ein Artikel, den er vor Jahren in der Zeitung gelesen hatte, fiel ihm jetzt wieder ein. Er hatte ihn damals nicht weiter beachtet, eine weitere Bluttat in einem Land der Bluttaten, aber jetzt...
Amokschütze schießt scheinbar wahllos in Menge und tötet 5 Leute.
Natürlich! Antonio schlug sich gegen den Kopf. Vor acht Jahren...der Scharfschütze...die Angst vor nächster Nähe...Soziopathie...alles passte zusammen. Michael musste eine Militärausbildung hinter sich haben. Wahrscheinlich eine jahrelange. Wie in Ekstase rannte Antonio zu seinem Computer und loggte sich ein. Nach einer kurzen Suche fand er den gesuchten Zeitungsartikel.
Amokschütze gefasst! Gestern Nacht gegen halb vier Uhr morgens gelang es der hiesigen Polizei, den Fall des Scharfschützen, der am 5.November mehrere Unschuldige erschoss, aufzulösen. Aufgrund der sechs am Tatort gefundenen Patronenhülsen wurde die Waffe identifiziert, eine M14 scoped silenced, ein High-Tech Scharfschützengewehr. Durch Zusammenarbeit mit dem Militär und dessen Datenbank konnte die Waffe bis zu einem Mann namens Michael West zurückverfolgt werden, der...
Antonio schloss den Artikel. Er rieb sich erneut die Augen, teils aus Müdigkeit, teils aus Überraschung. Er hatte es mit einem Scharfschützen zu tun. Einem legalisierten Auftragsmörder. Nicht nur das, sein Patient war auch noch intelligent und offensichtlich ein guter Schütze. Zum wiederholten Mal rieb sich Antonio die Augen und versuchte das Bild des auf einem Dach stehenden Michael zu vertreiben, der irre lachend in die Menge unter ihm schoss.
Peng, peng, peng. Jeder Schuss ein Toter.
Antonio schleppte sich Richtung Schlafzimmer. Es war leer. Auf ihn wartete niemand, der ihm ein warmes Bett anbieten konnte. Auf Antonio Foletta wartete nur der Wahnsinn. In einer kleinen Zelle 15 Autominuten von hier entfernt. Foletta versuchte, das Bild aus seinem Gehirn zu radieren und einzuschlafen, aber es wollte nicht recht gelingen.
Schließlich verfiel er in einen unruhigen, von Alpträumen geplagten Schlaf.
So, ich hoffe, das heutige Kapitel entsprach euren Wünschen, wenn nicht, bin ich offen für konstruktive Kritik. :P Falls es jemanden interessiert, ich habe mir lange überlegt, ob Michael Scharfschütze oder Arzt wird. Als Arzt hätte er auch ziemlich mühelos 5 Menschen ermorden können, allerdings nicht so schnell, außerdem würde das nicht mit seiner Agaraphobie zusammenpassen.

Wer wissen will, wie eine M14 aussieht, möge
hier draufklicken.
Waffe von L11A5 auf M14 geändert, da die M14 eine viel populärere Waffe ist, therefore auch leichter zu bekommen und daher glaubwürdiger ist.