Kharanos
Bleudewiz erwachte langsam und sie rieb sich verschlafen die Augen, dann wandte sie sich langsam dem Körper des stattlichen Zwerges neben ihr zu. Die Brust des Zwerges hob und senkte sich bei seinen regelmäßigen Atemzügen und sein Bart war zerzaust von der langen Nacht. Vorsichtig strich Bleudewiz mit ihren Fingerspitzen über seinen Brustkorb, weiter hinunter. Ein Schmunzeln umspielte Bleudewiz Lippen als Rento seufzend die Augen aufschlug.
„Schon wieder, meine Teuerste…?“ lächelte er.
„Schon wieder, mein Bester.“ Wie zur Bestätigung schwang sie ihren kleinen, stämmigen Körper auf ihn und bedeckte seinen Hals mit Küssen.
Sie liebten sich innig jede Nacht seit dem Kampf damals in Kharanos. Bleudewiz kam nicht rechtzeitig, sie traf auf der kleinen und einzigen Kreuzung des Städtchens ein als Rento und Tylas sich schon gegenüberstanden.
„Wo ist sie? Wo hast du sie versteckt?“ Tylas hielt sein schweres Schwert mit beiden Händen umklammert, Schweiß stand ihm auf der Stirn. Sie standen beide vielleicht 30 Meter voneinander entfernt und begannen langsam sich zu umkreisen. Rento hatte sein Gewehr auf Tylas gerichtet „Ich weiß nicht von wem du redest, Elf!“ brüllte er ihm entgegen.
Der Schnee knirschte unter Tylas schweren Stiefeln, sein Körper war angespannt, langsam schwenkte er sein Schwert vor sich „Du weißt von wem ich rede! Wo ist sie? Wo?“ Seine Stimme bebte vor Zorn.
Bleudewiz´ Widder schoss durch den Wald, sie konnte schon den Rauch aus dem Kamin des Gasthauses sehen, als sie den ersten Schuss hörte der lange durch den stillen Wald klang.
Rento… sie schwang sich von ihrem Widder, zerrte Ihr Kleid bis zu den Knien hoch und rannte so schnell sie konnte durch den Schnee. Sie kam gerade um das Gasthaus gerannt als sie die beiden erblickte, Rento stand mit dem Rücken zu ihr, sein Gewehr in die Luft gehoben.
„Elf, ich rate es Dir, verschwinde von hier sonst wird der nächste Schuss keine Warnung mehr sein!“
„Rento!“
Wie ihr sein Name von den Lippen lief, wusste sie dass sie einen Fehler begangen hatte. Rento wandte nur leicht seinen Kopf in ihre Richtung aber dies war der Moment in dem der Elf in ein lautes Gebrüll einfiel und mit erhobenen Schwertes auf Rento einstürzte. Bleudewiz entwich ein entsetzter Schrei als Rento sich gerade noch ducken konnte und Tylas Schwert laut scheppernd in das Kopfsteinpflaster der Strasse schlug. Der Zwerg rollte sich auf dem Boden zur Seite, schwang sich wieder auf die Beine doch er hatte sein Gewehr verloren. Es lag ein Stück weit hinter Tylas.
„Du willst also Streit Krieger, den kannst du haben!“ blitzschnell zog er seine zwei Äxte die an seinem Gürtel hingen aus ihren Halterungen und stürzte auf den Elf
los, Tylas wich zur Seite konnte aber noch sein Knie anziehen welches er Rento in die Magengrube stieß. Rento taumelte, fing sich und wirbelte auf dem Absatz herum und schlug seine Axt mit der flachen Seite, dem Elf ins Gesicht. Tylas flog mindestens zwei Meter weit, er lag auf dem Rücken als Rento sich wieder auf ihn stürzen wollte. Er hob mit einer Axt so fest er konnte auf den Brustkorbs des Elfs ein, aber dieser begann nur zu Husten, der Axthieb hatte lediglich eine tiefe Beule in seinem festen Panzer gedrückt. Etwas ungläubig schaute Rento auf die Beule und bemerkte nicht wie Tylas sein breites Schwert umklammerte, mit einem mal ausholte um es dem Zwerg ins Gesicht zu schlagen. Rento konnte gerade noch zurückweichen, aber dennoch traf ihn die Spitze der scharfen Klinge und schnitt ihm die Haut auf.
Mit einer Rolle rückwärts war Tylas wieder auf den Beinen. Rento betrachtete noch immer das Blut das er sich aus dem Gesicht gewischt hatte als er den Elf böse anfunkelte.
„Das war zu viel“ Rento legte Daumen und Zeigefinger zu einem „O“ und pfiff dann darauf einen lang gezogenen schrillen Pfiff aus. Verwundert sah Tylas ihn an, er hielt sich den Brustkorb das atmen viel ihm durch die große Beule sichtlich schwer. Dann hörte man etwas, erst leise dann lauter werdend. Etwas kam angerannt und als man deutlich vier große Pfoten auf den Boden aufschlagen hörte tauchte unvermittelt ein riesiger Bär neben Rento auf, richtete sich auf zwei Beine und brüllte einen markerschütternden Kampfschrei.
Tylas wusste das er gegen beide keine Chance hatte.
„Komm schon Elf, komm schon!“ schrie Rento, seine Äxte vor sich schwenkend. Der Bär stand neben ihm hatte sich tief an den Boden geduckt und zeigte Tylas seine Zähne die nur darauf warteten ihn zu durchbohren.
Sein Frostsäbler stand unweit neben ihm, wenn er schnell war konnte er ihn erreichen und mit ihm die Flucht ergreifen, bevor Rento seinen Bären auf ihn hetzen konnte. Tylas war nicht mehr klar bei Verstand, alles drehte sich und seine Lungen sowie seine ganze rechte Gesichtshälfte pochte aber er wusste dass er sich keinen Kampf auf Leben und Tod hier leisten konnte. Er musste erst Rhion finden und dazu brauchte er den Zwerg nicht, es gab andere Wege. Mit einem Satz war Tylas an seinem Säbler und schwang sich auf ihn, sein Schwert noch hoch erhoben falls er von seinem Reittier aus sich verteidigen musste, als er ihm die Stiefel hart in die Seiten trieb und sein Säbler in einem rasenden Spurt davon preschte.
„Auf den Elf!“ brüllte Rento und sein Bär donnerte
los. Blitzschnell griff Rento nach seinem Gewehr das nun nur noch unweit links neben ihm im Schnee lag und nahm es in Anschlag, zielte und schoss.
Ein markerschütternder Schrei grub sich durch die schneebedeckten Wälder von Dun Morogh. Bleudewiz schlug vor Schreck die Hände vor den Mund. Auch Rento hatte zur Verfolgung angesetzt. Er rannte über die Kreuzung und bog dann den Spuren seines Bären und dem Säbler folgend in den Wald. Aber der hohe Schnee verlangsamte ihn zu sehr. Nach hundert Metern machte er halt, kniete sich nieder und strich mit den Fingern über die Ränder der Spuren die sein Bär hinterlassen hatte, er war nah an ihnen dran, aber er hatte sie noch nicht, er folgte den Spuren noch ein Stück mit seinem Blick bis er sah wie sich unweit vor ihm eine rote Spur aus dem Schnee hob. Er hatte den Elf nicht verfehlt, dennoch war er unvermindert weiter geritten, also war der Schuss der ihn traf nicht weiter schlimm, oder Tylas war so voller Hass und Zorn dass er es nicht merkte. Rento pfiff noch einmal einen langen Pfiff und machte sich auf den Rückweg nach Kharanos. Bleudewiz stand regungslos mitten auf dem Platz wo sie gerade noch gekämpft hatten, als Rento langsam auf sie zukam.
„Rento! Es tut mir so leid…!“ Sie rannte auf ihn zu, wollte ihn in ihre Arme schließen, doch er stieß die brüsk weg.
„Dieser wahnsinnige Elf! Wie hat er uns hier gefunden?“ seine Stimmte zitterte.
„Komm…“ sagte Bleudewiz, „lass uns ins Gasthaus gehen und ich will sehen wie ich dir helfen kann“
Wie sie in das kleine Gasthaus eingekehrt waren, verschwanden auch die letzten neugierigen Zuschauer die sich listig hinter Bäumen oder
Sträuchern versteckt hatten um nicht in den Kampf verwickelt zu werden.
Vran hatte sich hinter den Büschen am Weg geduckt und als er nun die zwei Zwerge ins Gasthaus gehen sah wusste er dass er ihnen unauffällig folgen musste. Langsam verblichen die Konturen des kleinen Gnoms bis er ganz, in den länger werdenden Schatten, verschwand und man konnte nur noch die kleinen Fußstapfen im Schnee sehen, die sich langsam dem Gasthaus näherten.
„Das sieht nicht gut aus Rento“ Bleudewiz legte die Hand an Rentos Gesicht und begann einige unverständliche Worte zu murmeln. Ihre Hand wurde heller, begann zu leuchten als sei sie in reines Gold getaucht worden und erhellte dann alles im Umkreis des kleinen Tisches an dem sie Platz genommen hatten. Rento spürte ein Ziehen und wie seine Wange immer wärmer wurde, er hatte schon oft die Fähigkeiten der Priester in Anspruch genommen, vor allem wenn er verwundet von den Schlachtfeldern kam, aber noch nie hatte Bleudewiz ihn geheilt und es fühlte sich besser an als alles andere jemals zuvor.
Als Bleudewiz die Hand von seinem Gesicht nahm war der blutige Kratzer verschwunden einzig ein feiner heller Streifen, der sich von Rentos dunkler Gesichtsfärbung abhob lies erahnen das der Zwerg dort einst eine Wunde hatte.
Die Zwergin setze sich ihm gegenüber und nippte an dem Met das schon vor ihnen auf dem Tisch stand.
„Danke“ er benutze dieses Wort nicht oft.
„Schon gut, ist alles in Ordnung soweit?“ vorsichtig lehnte sie sich über den Tisch und ergriff seine Hand. Er nickte.
„Also, nun erzähl mir was du von Rhion weißt, Bleudewiz, ich will es nun endlich wissen, zum Henker nochmal!“
„Rhion sucht nach Dir, sie hat seltsame Träume, sie sieht Tylas, er hat etwas Schreckliches vor….sie hat Angst Rento.“
Eine Gänsehaut breitete sich langsam über Rentos Nacken aus.
„Wo ist sie?“
Vran hatte sich in eine Ecke des Gasthauses geduckt, hier in den Schatten konnte ihn niemand ausmachen, nicht einmal die Kellnerin die direkt mit dem Rücken zu ihm stand. Er hätte sich nur wenige Zentimeter nach vorne beugen müssen und er hätte ihr Gesäß mit den Fingerspitzen berühren können. Nein Vran, nicht jetzt, ermahnte er sich selbst. Er liebte das Schurkendasein, er konnte machen was er wollte, anfassen wen er wollte und seine Mahlzeit bezahlen oder stehlen wie er wollte. Noch nie hatte man ihn geschnappt. Vran wusste das er gut war. Besser als die meisten von ihnen die nur als Schurke ihren Dienst begonnen weil es das Leben einfacher machte, nicht er, Vran fühlte sich dazu berufen ein Schurke zu sein, zu meucheln und zu morden und einer der Besten zu sein. Dennoch musste er sich nochmals dazu ermahnen sich nun zu konzentrieren, Tylas war hier gewesen, er hatte ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Irgendwer wollte von Tylas nicht gefunden werden und Vran wusste das der Krieger gerne sich mit Gold das kaufte was er wollte, immerhin konnte er sich das leisten. Für ihn hieß es, das er herausfinden musste wo diese Rhion war, von der die zwei Zwerge vor ihm am Tisch sprachen. Das würde ihm sicherlich einige Goldstücke einbringen.
Vran lächelte.
„Wo sie ist weiß ich nicht… zumindest nicht genau, aber sie will Dich treffen.“
„Wo, verdammt nochmal!“ seine Stimme wurde lauter, aber er schlug sofort betroffen sie Augen nieder und drückte ihr Hand.
„Ich wollte dich nicht anschreien, Verzeihung Bleudewiz.“
Sie seufzte. „Ich weiß, ich weiß. Rhion will in den Dschungel um sich der Großwildjagd anzuschließen. Sie will dich vorher in Dunkelhain treffen, in der Taverne, in einer Woche.“
Rento nickte stumm.
„Hast du sie persönlich gesprochen?“ Bleudewiz schüttelte den Kopf.
„Nein, sie hatte mir einen Brief zukommen lassen.“
Wieder nickte der Zwerg stumm.
„Wollen wir hier bleiben?“ Etwas blitze in den Augen von Bleudewiz auf als sie diese Frage vernahm.
“Mit dem allergrößten Vergnügen“
Verblüfft sah er sie an, er hätte nie damit gerechnet dass sie zusagen würde, umso überraschter war er wie schnell ihre Antwort kam.
„Wirt, wir möchten bezahlen. Ach, sagt ist euer Zimmer für diese Nacht noch frei?“
Der Wirt kam auf Bleudewiz zu und nickte.
„5 Silberstücke für das Met, 10 für die Nacht oben in der Kammer.“
Rento nickte und schob dem Wirt das Geld hin.
Sie erhob sich vom Stuhl und drehte sich zu Rento, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.
„Ich warte in der Kammer auf Dich, bring du noch unsere Widder in den Stall.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und stieg die Treppe zum oberen Stockwerk hoch.
Rento musterte grinsend ihr Gesäß und strich sich den Bart glatt.
Heute Nacht, Bleudewiz… wirst du nicht viel schlafen, er schmunzelte bei dem Gedanken während er sich erhob um die Widder in den Stall zu bringen und dann schnellst möglich zu Bleudewiz ins Bett zu steigen.
Vran hatte alles genau gehört. Er hatte alle Informationen die er brauchte.
Rhion und Rento, die Taverne in Dunkelhain… in einer Woche.
Nun musste er nur noch Tylas finden.