So, hier geht es weiter.

Sagt mir bitte, was ihr davon haltet, denn mir persönlich sagt dieser Teil gar nicht zu...
Auch diesen Kommentar überging Antonio ohne mit der Wimper zu zucken, wie Michael enttäuscht zu Kenntnis nahm. „Haben Sie an einem Freitag nichts Besseres zu tun, als in alten Akten zu wühlen? Mit der Tochter spazieren gehen oder so einen Quatsch?“
„Erstens ist es Samstag, und zweitens habe ich keine Tochter.“ ,antwortete Antonio trocken.
Michael zuckte mit den Schultern. „Freitag, Samstag, ist doch egal. Wir haben hier keine Uhren. Und wieso haben Sie keine Tochter, Doc?“ ,fragte er.
„Michael, ich würde gerne über Sie reden, nicht über mich.“
„Ach ja?“ Michaels Augen blitzten auf. „Und was wollen Sie denn wissen, Doc?“
„Für den Anfang mal, wieso Sie nicht festgeschnallt in einer Gummizelle hocken.“
„Effektiveres Sedativum.“ ,sagte Michael sofort. „Aber das war sehr feinfühlig, Dankeschön. Also, warum haben Sie keine Tochter, Doc?“
„Das ist meine Sache. Wenn wir jetzt bitte fortfahren könnten...“ Antonio blätterte in seinen Notizen. „Wieso haben Sie diesen Wärter zusammengeschlagen?“ ,fragte er.
„John? Partout würde ich sagen, er hat angefangen. Wissen Sie, es war eine nette Abwechslung zum Klinik-Alltag. Für uns beide. Und, wenn Ihnen das hilft, mir tut mein Kiefer immer noch weh, aber danke für Ihr Beileid.“
„Gut, er hat zuerst zugeschlagen. Können Sie sich denken, wieso er das getan hat?“
„Hmm. Sexuelle Frustration vielleicht?“
„Michael, Sie haben die Medikamente verweigert, die Sie dringend nötig haben.“
„Also, Doc, erstens habe ich nie irgendwelche Medikamente verweigert, ich habe sie nur nicht geschluckt. Und zweitens habe ich keine Drogen nötig. Wie Sie sehen, funktioniere ich ohne prima.“
„Die meisten Menschen würden das kaltblütige Ermorden von fünf Menschen nicht „
prima funktionieren“ nennen.“ ,sagte Antonio. Michael funkelte ihn an.
„Die meisten Menschen, Herr Doktor,“ ,erwiderte er, „sind Idioten.“
Antonio seufzte. "Ihre Meinung zur menschlichen Rasse ist mir mehr als bekannt. Sie haben sich schon mehrfach dazu geäußert, Michael."
"Ja, und außerdem habe ich fünf davon abgeknallt!" Michael lachte laut auf.
Antonio seufzte erneut und fragte: "Könnten wir dann bitte das
Warum? klären?" Michael zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Hab ich Ihnen doch schon erklärt, Doc. Weil ich es konnte."
"Das ist mir klar, aber ich meine, wieso gerade
diese fünf Leute?"
"Das Prinzip des Zufalls. Wäre die Frau mit ihrem Sohn zu Hause geblieben und hätte fern gesehen, hätte ich sie nicht getötet, sondern 2 Leute, die an ihrer statt aus dem Einkaufscenter marschiert wären. Hätte sie sich nicht geduckt, hätte ich eine Kugel mehr gehabt, und hätte einen sechsten Mann auslöschen können. Wären
Sie an diesem schicksalhaften Tag Einkaufen gegangen, müsste ich nicht dieses Gespräch führen und könnte in Ruhe mein Buch zu Ende lesen."
Antonios Hoffnung, seine Kopfschmerzen loszuwerden, wurde schwächer. Mit den Zeige- und Mittelfingern beider Hände massierte er sich die Schläfen.
„Ich glaube,
Sie sind der, der Drogen nötig hätte, Doc.“ ,kicherte Michael.
„Schon gut, mir fehlt nichts.“ ,murmelte Antonio.
"Natürlich nicht, Doc. Ich reibe mir auch immer meine Schläfen, während ich ein Gespräch führe. Ich bin mir sicher, in vielen Kulturen ist das eine Form, sein Interesse auszudrücken. Vielleicht zeugt es sogar von Hochachtung seinem Gesprächspartner gegenüber...Wer weiß?" Michael zupfte mit einem Gesichtsausdruck nahezu perfekt geheuchelter Nachdenklichkeit an seinem Spitzbart.
Antonio überging diese Flut an Sarkasmus und wechselte das Thema. "Da Sie gerade von Lesen sprachen...was lesen Sie denn?" ,fragte er.
"Ist das therapeutisch relevant?" ,kam die Gegenfrage. "Bin ich ein schlechterer Mensch, wenn ich im
Playboy blättern würde? Oder wäre ich gefährlicher, wenn ich
Mein Kampf in Händen hielte?"
"Ich würde es gerne wissen."
Michael lockerte sich mit hörbarem Knacken das Genick, bevor er antwortete: "Ich lese gerne, und ich lese viel. Nicht nur, weil es eines der zwei Vergnügen ist, das mir in dieser gottverdammten Zelle geblieben ist."
Antonio fragte nicht, was das andere Vergnügen war. Er wollte es nicht wissen.
So, das wars auch schon, fürchte ich.

Ich hoffe, ich komme am Wochenende wieder zum Schreiben, bis dahin, viel Spaß beim Lesen. ^^