Thema: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars
Diskutiere im Der Dorfkrug Forum über Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars. Prolog: Letzte Atemzüge Einhundert. »Das ist es, was mich zerfrisst.«, schrieb der alte Mann auf die letzte Seite eines vergilbten und staubigen Buches. Nur sehr langsam und stockend brachten seine knorrigen Finger diesen Satz auf das Papier, als wollten sie ihn nicht wahr haben. Eine ...
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Alt 01.01.2011, 23:45   #1
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Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Prolog: Letzte Atemzüge

Einhundert.
»Das ist es, was mich zerfrisst.«, schrieb der alte Mann auf die letzte Seite eines vergilbten und staubigen Buches. Nur sehr langsam und stockend brachten seine knorrigen Finger diesen Satz auf das Papier, als wollten sie ihn nicht wahr haben. Eine zweite Hand schob sich in sein Sichtfeld. Es war seine eigene, so wenig er sie auch spüren konnte, er erkannte sie an den großen Ringen, die um die Finger lagen wie zentnerschwere Metallblöcke.
Mit von Tränen verschleierten Augen und zittrigen Händen begann der Alte das Buch zu schließen. Langsam, nur sehr langsam ließen seine ermüdeten Glieder dies zu. Schweigend ließ sich Zehomar in den Stuhl zurück sinken, während er versuchte seine Gedanken zu ordnen und zu fassen.
Neunundneunzig.
Er wollte sich eine Ruhepause gönnen, doch Zehomar wusste, dass das nicht ging, er hatte bereits zu viel Zeit verloren. Also nahm er drei Bücher in den Arm und erhob sich noch langsamer als er gesunken war.
Alle drei Bücher waren von ihm in den letzten Monaten – waren es Jahre? - geschrieben worden. Zehomar wusste, dass der Inhalt dieser Bücher das gesamte Reich gefährdete und es brannte ihm danach zu erfahren was nach ihm sein würde.
In seinem abgedunkelten Thronsaal sah der einsamste König der Welt auf seinen Schreib- und Werktisch. Über und über war er mit einer roten Flüssigkeit bedeckt. In diesen Weinflecken spiegelte sich das faltige, weise Gesicht eines Mannes der wusste, wann seine Zeit gekommen war.
Achtundneunzig.
Langsam setzte Zehomar einen Fuß vor den anderen, während er sorgsam darauf Acht gab, dass die Bücher nicht in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wie lange lebte er nun schon? War er schon zu lange dem Himmelreich entflohen? War es an der Zeit zu sterben? Noch bevor diese Gedanken in seinem Kopf wirkliche Formen angenommen hatten, wusste Zehomar schon die Antwort.
In vielen dunklen und muffigen Nächten der geistigen Zermürbung hatte der Monarch auf diesen einen Tag hingearbeitet. Sein gesamtes Leben steckte in diesen drei Büchern. Sie fassten nicht einmal einhundert Seiten, doch sollten die Worte dort drin eine neue Welt erschaffen.
Er wusste weder, ob man sie lesen würde oder, ob sie jemals finden würde. Das einzige was er wusste war, dass er es nicht mehr erleben würde.
Siebenundneunzig.
Leicht schwankend schritt Zehomar durch das Dunkel des Thronsaales in Richtung des Fensters, an dem ein Adler saß
und ihn mit seinem schwarzen Knopfauge musterte. Chrem sollte das letzte Lebewesen sein, dass ihn lebend erblickte. Mit seinen mittlerweile fast tauben Ohren nahm Zehomar den Monsun artigen Regen hinter den dunklen Mauern gar nicht war.
Dieser Regen prasselte gegen das Fester und lief in langen Schlieren an dem bunten Glas herab, sodass die Außenwelt verzerrt wurde.
Während der Kamin in der anderen gegenüberliegenden Ecke des Raumes ein schummriges Licht auf den roten Teppich warf, bildete der Sterbende zu dieser traumähnlichen Szene einen Kontrast, der den Traum zu einem Alptraum werden ließ.
Sechsundneunzig.
Zehomar hatte bereits die Hälfte der Distanz hinter sich gebracht. Er stand auf einem riesigen roten Teppich aus Seide, in dem sein Familienbaum mit goldenen Fäden gestickt worden war. Unter diesem Familienbaum war das Zeichen des Königreiches eingewebt worden; Ein goldener Adler auf rotem Grund, der seine Flügel über ein Schwert und einen Menschen hält. Dieses Meisterwerk der Webkunst hatte ihn schon immer kalt gelassen, denn es zeugte nur von dem Fanatismus den sie ihm darboten.
Es war einfach unglaublich wie sie all ihre Angelegenheiten, sei es das Einbringen der Steuern, das beginnen eines Krieges oder das Ankündigen der Erntezeit – alles wurde auf eine Person abgeschoben; Zehomar.
Als kleines Kind war er der erste Sohn der Fürsten Lexius von Amêan gewesen. Früh hatte ihn sein liebenswerter Vater alles beigebracht was er vom Leiten eines Volkes wusste. Lexius hatte sehr viel auf Ausbildung, Gehorsam und Disziplin gesetzt und seinen Sohn somit wie in einem Feldlager erzogen.
Vielleicht war der kleine Zehomar nur ein weiterer Zinnsoldat in Lexius großen Spiel des Lebens, doch vielleicht auch nicht. Der Fürst erwartete von seinem Kind einen perfekten Sohn, denn nach vier Fehlgeburten seiner Frau Kirena, die er über alles liebte, war bereits alle Hoffnung entschwunden, die Zehomar offenbar nur durch Disziplin stärken konnte.
In der Jugend war er von der einen Ecke des Reiches zur anderen gereist und gewandert, damit ihn das gesamte Volk kennen und schätzen lernte.
Zehomar hielt bereits als junger Mann Reden vor dem Volk, schwang dabei einen Weidenstab und gestikulierte wild mit den Händen, was ihn schnell bei seinem Volk beliebt machte. Er verteile Brot und Wasser an die Armen, eröffnete Theater für das noble Volk und ließ Städte ausbauen. Das einzige was Zehomar bei seinem Vater gelernt hatte war, dass er regieren müsse.
Dieser mächtige König konnte keine Gerste von Weizen unterscheiden, oder das Wetter an der Wolkenlage ablesen. All die Dinge, die einer seiner einfachsten Untertanen als Kind gelernt hatte, waren für ihn unbekannt und unbegreiflich. Es gibt Dinge, die kann nur ein Kind verstehen, dachte sich Zehomar.
Seine Gedanken fixierten sich wieder auf sein eigentliches Ziel – den Adler. Chrem hatte den gesamten Abend keinen Ton, nicht einmal ein Scharren der Flügel, von sich gegeben. Offenbar wusste er, diese unglaubliche Situation sei der Höhepunkt meines Lebens, dachte sich Zehomar, während er sich weiter dem Adler näherte.
So schleichend er auch zu dem Adler geschlurft kam, seine Eleganz, seinen Stolz und seine Ehre verlor er selbst in der dunkelsten Stunde nicht. Zehomar hatte den schwierigsten diplomatischen Problemen getrotzt, er hatte die Menschen unter einer Fahne vereint und versöhnt. Es gab nur eine Sache auf die sich der König in diesem Augenblick freute. Das woanders sein. Zehomar wollte weg von dieser Welt voller Sorgen und Angst. Er wollte aus einer Welt fliehen in der es Hunger und Not gab.
Zweifel hatten ihn schon oft kalte Schauer über den Rücken gejagt, doch in der letzten Zeit hatte er nicht schlafen können. Dort waren zu viele Ängste, Omen und böse Geister die seinen Seelenfrieden stören, wenn nicht gar zerstören wollten.
Fünfundneunzig.
Der Alte war bei seinem Adler angekommen und öffnete das kleine Fenster. Kalte Luft und Regenwasser peitschen ihm ins Gesicht, während selbst der letzte Rest Farbe aus seinen bleichen Gliedern verschwand und vom Regen weggetragen wurde.
Mit einem mächtigen Flügelschlag erhob sich der Adler und flog, vom Wind getragen, einmal durch den gesamten Saal und kam schließlich wieder zu Zehomar zurück, der ihn sichtlich angespannt erwartete. Lautlos wie eine seiner Federn ließ sich der Adler auf eine Stange nieder und plusterte sich auf, um nicht von dem klammen Wind unterkühlt zu werden.
Mit vor Kälte zitternden Händen fingerte Zehomar einen Ledersack aus einer seiner Taschen und legte das kleine Buch hinein.
»Ich will, dass du dieses Buch zu seinem Besitzer bringst. Ich kenne ihn nicht. Du auch nicht, aber ich weiß, dass du ihn finden wirst.«, hauchte der König, während er seinem Adler das Päckchen an einer der Adlerbeine befestigte.
Vierundneunzig.
Der Adler sah Zehomar lange an, als studierte er das Gesicht eines Fremden auf bekannte Merkmale. Ein letztes Mal blinzelte Chrem seinem Herrn zu, drehte sich schließlich zum Fenster und schwang sich in die kalte, stürmische Nacht ins Ungewisse.
Selbst als die Silhouette des Adlers von den Schlieren schon lange weggewischt worden war, blickte der Alte immer noch an die Stelle an der sein letzter Freund bis vor einigen Augenblicken noch saß. Wehmut ergriff Zehomar. Allein der Gedanke nun in seiner schwersten Stunde allein zu sein ließ in dem König ein kaltes Gefühl aufsteigen, dass nichts mit seinen Gebrechen zu tun hatte. Der mächtige König hatte Angst. Wie so oft in den letzten Tagen schürte dieses elendige Gefühl Zehomar die Luft ab, wie eisigen Finger einer Leiche.
Dunkle Gedanken nahmen riesige Schattengestalten vor seinem inneren Auge an, drohten ihn zu verschlingen. Sie schrien ihn an, brüllten ihm seine Zweifel entgegen und warfen ihm Schuld vor. Sie loderten in kalten, blauen Feuern der Ängste auf und erstarrten in heißen Lawinen aus Hass kurz vor seinem Leib.
Eisige Feuerzungen lechzten nach seinen Gliedern, während sein geistiger Körper von einer Eisschicht bedeckt wurde und in höllischen Qualen verbrannte.
Schwarze, vor Bosheit triefende Wesen aus Ängsten und Leiden materialisierten sich nun auch vor seinem wirklichen Auge, streckten lange, dünne Finger nach ihm aus, griffen in sein Haar, fassten seinen Mantel, entrissen ihm aller Hoffnung und Freude aus seiner ohnehin schon schwachen Brust und ließen sein altes Herz einige Male aussetzen.
Dreiundneunzig.
Entsetzt von seinen eigenen Gedanken und seinen Gefühlen die ihn beherrschten Schritt Zehomar wieder vom Fenster weg, um den kalten Klauen des Unwetters zu entkommen. Ihn fröstelte nicht nur der Wind und der Regen, sondern auch die Vorstellung, dass er bald nicht mehr sein würde. Der Gedanke, dass er es nicht erleben würde, das alles anders sein würde, ließ in ihm die Trauer ausbrechen.
Zehomar wusste allerdings, dass er dieses Opfer bringen musste – zum größeren Wohl aller lebenden Menschen, Zwerge, Elfen und anderen Völkern von deren Existenz er noch nicht einmal ahnte.
Sein Opfer würde nur eins von vielen sein, allerdings das Entscheidende, das was alles ins Rollen bringen wird. Er war der letzte Dominostein, der gesetzt wurde und das Spiel auslöste. Nur noch sein Fall hielt das Spektakel auf.



Guten Abend Genossen. Ich hoffe euch hat dieser literarische Erguss gefallen. Sagt, was ist verbesserungswürdig, was ist gut. Wollt ihr mehr?

Hier ist mein Blog, auf dem ich die meisten meiner lyrischen und literarischen Ergüsse hochstelle:
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Scriptorus ist offline  
Alt 01.01.2011, 23:45  
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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Hast du schon im Lösungsbuch nachgelesen? Eventuell hilft dir das ja weiter...
 
Alt 01.01.2011, 23:47   #2
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Avatar von Izzana

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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Immernoch wow. Ich freue mich auf die Fortsetzung und finde immernoch das du sehr talentiert bist.
Izzana ist offline  
Alt 02.01.2011, 00:08   #3
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Avatar von Lupi

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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Für meinen Geschmack (was allerdings auch einfach am Ablesen vom Bildschirm liegen könnte) ein wenig zu langatmig, aber ein sehr schöner Schreibstil.
Lupi ist offline  
Alt 02.01.2011, 00:14   #4
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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Atmig passt sehr gut. Die Zahlen, die stehen für die Atemzüge die Zehomar noch zu leben hat.
Was gefällt dir denn nicht am Schreibstil? Es gibt immer etwas Negatives.

Geändert von Scriptorus (02.01.2011 um 00:17 Uhr)
Scriptorus ist offline  
Alt 02.01.2011, 00:26   #5
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Avatar von Lupi

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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Zitat:
Zitat von Scriptorus Beitrag anzeigen
Atmig passt sehr gut. Die Zahlen, die stehen für die Atemzüge die Zehomar noch zu leben hat.
Was gefällt dir denn nicht am Schreibstil?
Nein, er ist klasse, wenn auch für meinen Geschmack etwas zu "klassisch" denn du liest dich wie viele (durchaus Große) Fantasyautoren, was ich sicher nicht oft raushaue.
Allerdings liegt mir der Stil nicht sonderlich, ich find ihn ein wenig... Altmodisch.
Das mit den Atemzügen hab ich mir so in der Art hergeleitet, interessante Idee auf jeden Fall.
Ich finde eben nur, es ist.. zu viel auf einmal? Wie gesagt, es kann auch einfach sein, dass es sich für jemanden, der nicht so häufig Textwälle auf dem Monitor liest, so anfühlt.

Nebenbei, wir haben eine (leider sehr inaktive) Schreiberlingen Gilde hier im Forum, ich für meinen Teil würde mich freuen, wenn du dich dafür begeistern lassen würdest, bzw mal in ein paar der dort verlinkten Geschichten reinschnuppern würdest.
Lupi ist offline  
Alt 02.01.2011, 12:15   #6
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AW: Prolog: Letzte Atemzüge - Die letzten Augenblicke Zehomars

Mich mit großartigen Fantasyautoren (zum Beispiel Walter Moers) zu vergleichen ist eine Wahnvorstellung. Vielleicht habe ich ein Talent dafür, aber das ist noch im Reifestadium nicht wie das der Autoren denen ich zu Füßen liege.
Das ist die Schwierigkeit. Ich muss versuchen die selbe Informationsmenge auf mehr Text zu bringen. Nur wäre das dann wieder viel zu viel.
Scriptorus ist offline