An den Mond - Gedicht von Goethe
Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;
Bereitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit
Fliesse, fliesse, lieber Fluss!
Nimmer werd ich froh;
So verrauschte Scherz und Kuss
Und die Treue so.
Ich besass es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst!
Rausche, Fluss, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinen Sang
Melodien zu,
Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.
Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschliesst,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem geniesst,
Was, von Menschen nicht gewusst,
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.
(Johann Wolfgang von Goethe)