So, zu meinem einmonatigen Forumsjubiläum soll die Geschichte fortgeführt werden und weil ich heute wohl zu viel Zeit hatte
Noch bevor die Sonne den Himmel erhellt, ist Tyrena bereits auf den Beinen. Es ist ein interessantes, wohliges Gefühl der Aufregung, welches sie schon so früh wach werden lässt. Sie streckt sich, während sie langsam zum Fenster geht. Nur wenige Gestalten sind vor dem Gasthaus zu sehen. Trotz der leichten Dämmerung kann Tyrena erkennen, dass Morpheus noch nicht vor dem Gasthaus zu stehen scheint. Etwas beruhigter wendet sie den Blick vom Fenster ab und begibt sich zu einem Stapel Klamotten der etwas unsauber zusammengelegt auf einem kleinen Holzstuhl auf der anderen Seite des Zimmers liegt. Sie entledigt sich ihrem Nachthemd und legt ihre schwarze Lederrüstung an.
Als sie komplett gewandet und ausgerüstet ist, wirft sie noch einen Blick zurück in das Zimmer, bevor sie es verlässt. Sie begibt sich die Treppe hinunter in den Schankraum, noch immer ist Morpheus nicht zu sehen. Tyrena verlässt das Gasthaus und erblickt die mittlerweile am Horizont erschienene Sonne. Kurz schließt sie die Augen, um die wärmenden Sonnenstrahlen zu genießen, als sie ein Klirren hinter sich hört und sich abrupt umdreht. Der Anblick, der sich ihr bietet, bringt sie zum Lachen. Morpheus hat in voller Rüstung versucht, sich an Tyrena heranzuschleichen. Noch immer auf Zehenspitzen stehend schaut er sie an: „Nun ja, beinahe wäre es mir gelungen.“ Er grinst breit: „Auch ein Krieger kann sich anschleichen, jedoch ist die Rüstung dabei etwas hinderlich.“ Tyrena bricht erneut in lautes Gelächter aus und Morpheus stimmt mit ein.
Als beide sich wieder etwas beruhigt haben, ist es Morpheus, der als erster wieder das Wort ergreift: „Nachdem ich euch sichtlich erheitert habe, wünsche ich euch einen wunderschönen guten Morgen, werte Tyrena!“, er verneigt sich vor ihr. „Euch ebenfalls einen wundervollen guten Morgen!", entgegnet Tyrena und macht, noch immer mit einem Grinsen im Gesicht, einen leichten Knicks. "Na dann lasst uns aufbrechen", meint Morpheus, geht an Tyrena vorbei und legt ein schnelles Tempo vor. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, dreht sich Tyrena um und folgt ihm. Schnellen Schrittes verlassen sie Seehain in Richtung Süden dem Weg folgend. Fast lautlos bewegt sich die Schurkin neben dem etwas geräuschvolleren Krieger her.
Sie können noch nicht lange gelaufen sein, als Tyrena die nicht vorhandene Stille unterbricht: "Stört euch das Gequietsche und Geklirre eurer Rüstung denn nicht?" Etwas ungläubig schaut sie ihn an, als er antwortet: "Nein, schon lange nicht mehr. Ich trage diese Rüstung zum Schutz, der Geräuschpegel ist mir dabei gleich." Er schaut sie ernst an: "Zu viele, schlecht gerüstete Freunde habe ich zu Grabe tragen müssen, als dass ich nur einen Moment über einen Rüstungswechsel aufgrund der Geräusche nachdenken könnte." Etwas betrübt schaut Tyrena zum Boden: "Verzeiht, wenn ich ein so prikä
res Thema aufgegriffen habe. Ich bin es jedoch gewohnt, lautlos durch die Gegend zu reisen. Den Gegner aus dem Hinterhalt und ohne Vorwarnung zu erwischen, nur so bin ich erfolgreich." Morpheus schaut an ihr herab: "Nun, in eurem Leder würde ich auch besser ungesehen bleiben wollen." Etwas empört öffnet Tyrena den Mund, doch Morpheus kommt ihr mit seiner Antwort zuvor: "Das sollte nicht heißen, dass ihr darin keine gute Figur machen würdet! Ganz im Gegenteil! Es war mehr auf den Schutz bezogen, den euch eine solche Rüstung bringt. Ich halte ein paar Schläge aus, bevor meine Rüstung wirklich Schaden nimmt." Er klopft sich auf den harten Brustharnisch und seine Rüstung klirrt noch lauter. Tyrena schließt langsam den Mund und ihr Gesicht zeigt ein verlegenes Lächeln. "Da schneide ich ein unschönes Thema an und ihr schafft es dennoch, daraus ein Kompliment zu formen." Sie schüttelt kurz den Kopf, als wollte sie die rote Farbe abschütteln, die ihr ins Gesicht gestiegen ist, als beide ihren Weg fortsetzen.
Eine ganze Weile später erreichen sie die Grenze des Rotkammgebirges. Vor ihnen erheben sich riesige, teils vermoderte Bäume, die einen dunklen Wald bilden. Man kann fühlen, wie es kühler wird, je näher man an den Dämmerwald herankommt. Große Schatten werden von den Bäumen geschlagen und scheinen Grimassen auf dem Boden zu ziehen. Obwohl die Mittagssonne hoch am Himmel steht, wirkt der Wald erschreckend finster. Unbewusst verlangsamt sich Tyrena’s Schritttempo. Als Morpheus dies bemerkt, wendet er sich um: „Ihr wollt doch nun keine Mittagsrast einlegen, oder? Es wird zwar ein spätes Essen, aber bis nach Dunkelhain können wir es schon noch schaffen.“ „Nun ja…“, erwidert Tyrena, die noch immer wie gebannt auf den Wald schaut, „Vielleicht wäre eine kleine Rast vorerst doch das Beste.“ Morpheus bemerkt das mitschwingende Unbehagen in Tyrena’s Stimme. Er geht auf sie zu und holt zwei Brote aus einem seiner am Gürtel befestigten Lederbeutel. Eines der Brote reicht er ihr und grinst sie verschmitzt an: „Lasst es euch schmecken! Auch wenn ich nicht glaube, dass es eure Angst sänftigen wird.“ Bei diesen Worten funkeln Tyrena’s Augen fast feurig auf. „Angst?“, ruft sie spöttisch, „Wie könnt ihr es nur wagen einer Schurkin wie mir etwas wie Angst zu unterstellen? Ich habe keine Angst! Ich erkunde lediglich ein neues Gebiet und das werde ich mit meiner gewohnten Vorsicht tun. Im Gegensatz zu euch interessiert mich nämlich auch der Bereich der Ländereien, der etwas weiter fernab des Weges liegt!“
Überrascht und gleichzeitig etwas betrübt schaut Morpheus in Tyrena’s glänzende Augen. Er hatte nicht die Absicht sie zu beleidigen oder ihr etwas zu unterstellen. „Verzeiht“, er räuspert sich kurz, „Ich bin mit den Vorgehensweisen einer Schurkin oder besser gesagt mit euren Vorgehensweisen nicht vertraut. Es hat nur den Eindruck erweckt…“ Er bricht seinen Satz ab und reicht Tyrena erneut das Brot. „Frieden?“, sagt er leise und schaut sie dabei mit den Augen eines kleinen Hundes an. Mit einem leisen Seufzer entschwindet Tyrena’s Wut und sie ergreift das Stück Brot. „Habt Dank“, entgegnet sie kurz, bevor sie sich auf der noch grünen Wiese niederlässt und das Stück Brot verspeist. Auch Morpheus tut es ihr gleich und beide sitzen schweigend da und verspeisen ihr Brot.
Nach dem kleinen Mahl steht Morpheus als erster wieder auf. Auch Tyrena erhebt sich dann und langsam setzen sie ihren Weg in Richtung des Dämmerwaldes fort. Fast suchend blickt Tyrena ständig um sich, als sie den Dämmerwald betreten. „Das Rotkammgebirge hat mir besser gefallen“, gesteht Tyrena, noch immer um sich blickend, „Wisst ihr, welche Gefahren hier auf uns lauern?“ „Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe diesen Weg nur ein einziges Mal passiert, in Begleitung einer Karawane, die auf dem Weg zum Jägerlager im Schlingendorntal war. Das war damals auch mein Ziel und da es zu keinen Zwischenfällen kam, kann ich euch darüber leider keine Auskunft geben.“ Etwas unzufrieden mit dieser Antwort schaut Tyrena weiter in den Wald rechts und links neben ihnen, während sie weiter auf dem Weg Richtung Dunkelhain marschieren.
Sie haben ein ganzes Stück Weg ohne Zwischenfälle zurückgelegt, als Tyrena gerade noch ein Rascheln aus dem Busch neben sich wahrnimmt. Instinktiv weicht sie zurück, zieht sofort ihre Dolche und ruft Morpheus gerade noch ein „Achtung!“ entgegen, als eine riesige, hellgrün schimmernde Spinne aus dem Busch direkt auf sie zu springt. Sofort zieht Morpheus seine Axt und springt schützend vor Tyrena. Ihm ist klar, dass er bessere Chancen gegen dieses Monster hat, da seine Rüstung für die giftigen Bisse der Spinne undurchdringlich ist. Mit lautem Gebrüll schlägt er auf das Monster ein, während Tyrena es vorsichtig umrundet und von hinten attackiert. Plötzlich springen noch zwei weitere Spinnen aus dem Gebüsch auf der gegenüberliegenden Seite, scheinbar von Morpheus Kampfschrei aufgeschreckt. Als nun auch von hinten harte Spinnenbeine gegen seine Rüstung hämmern, wendet Morpheus sich, seine Axt schwingend, um. Im gleichen Moment setzt die erste Spinne zur nächsten Attacke an. Durch die Wendung von Morpheus schlägt sie jedoch nicht auf seine Brust, sondern bleibt im Verschluss seiner linken Armschiene hängen. Als Morpheus seinen Axtschwung vollendet und damit eine der beiden hinzugekommenen Spinnen in zwei Hälften teilt, zerreißt der Lederverschluss und die Plattenarmschiene fällt zu Boden.
Tyrena steht noch immer hinter der ersten Bestie und hat von all dem nichts mitbekommen. Der Körper der Spinne ist so groß, dass sie kaum darüber schauen kann. Erneut holt sie mit ihren Dolchen aus und sticht auf die Spinne ein. Als diese endlich zu Boden geht und regungslos liegen bleibt, will Tyrena gerade aufatmen, als sie Morpheus erblickt. Während Morpheus zu einem neuen Schlag ausholt, ergreift die verbleibende Spinne ihre Chance und stürzt sich auf Morpheus freien Arm. Als Morpheus aufschreit, wird Tyrena von einem heftigen Gefühl von Angst und Wut überfallen. Wie in Trance umgreift sie ihre Dolche noch fester, rennt zu Morpheus und springt mit einem gewaltigen Satz auf die große Spinne. Ein Hagel aus Dolchstichen prasselt auf sie ein, bis sie zischend zu Boden geht.
Mit Herzrasen wendet sich Tyrena um und erblickt Morpheus am Boden liegend. Sofort steckt sie ihre Dolche weg und kniet sich bei ihm nieder. Etwas unsanft schlägt sie ihm auf die Wange. „Morpheus! Morpheus! Wach bleiben!“, wiederholt sie ständig. Als er endlich die Augen öffnet, fällt Tyrena ein Stein vom Herzen. „Ihr müsst wach bleiben! Es wird euch bald besser gehen, aber um Himmels Willen bleibt wach!“, schreit sie ihn nun förmlich an. Schnell nimmt sie zwei schwarze Beutel von ihrem Gürtel und legt sie neben sich. Aus einem dritten, der noch am Gürtel hängt, holt sie eine kleine Ampulle. Wieder schlägt sie Morpheus gegen die Wange, bis er erneut die Augen öffnet. Dann öffnet sie nacheinander die beiden Beutel, nimmt etwas des enthaltenen Krauts heraus und verreibt es zwischen den Fingern in die Ampulle. Erneut schreit sie Morpheus an: „Wach bleiben Morpheus, ich brauche euch noch! Ihr müsst wach bleiben! Noch einen Moment!“ Hastig öffnet sie ihren Wasserschlauch, der an ihrem Gürtel hängt und gibt ein paar Tropfen Wasser in die Ampulle dazu. Sofort färbt sich dieses grünlich. Sie verschließt die Ampulle mit ihrem Finger und schüttelt sie heftig, bevor sie sie vorsichtig über Morpheus Wunde am Arm entleert. Mit einem lauten Schmerzensschrei öffnet dieser wieder die Augen und will aufspringen, doch Tyrena hält ihn mit aller Kraft zurück. „Liegen bleiben, wenn euch euer Arm etwas wert ist!“, schreit sie ihn an. Reflexartig beißt Morpheus die Zähne zusammen und versucht ruhig liegen zu bleiben. Tropfen für Tropfen gießt Tyrena auf seine Wunde, während Morpheus vor Schmerz das Gesicht verzieht.
Wenige Minuten nachdem Tyrena die Prozedur beendet hat, scheinen die Schmerzen endlich besser zu werden und das Gesicht von Morpheus entkrampft sich. Schwer atmend öffnet er die Augen und schaut in das besorgte Gesicht von Tyrena. „Verdammt, was war das denn? Wie kann das nur…“, beginnt der Zwerg zu brummen, während er sich wieder schwungvoll erheben will. Ein Krieger liegt schließlich nicht am Boden herum und zeigt Schwächen. Doch wieder hält Tyrena ihn zurück: „Auch wenn ihr euch von einer nicht ganz so Kampf erfahrenen Zwergin nicht gerne helfen lasst, so seid euch gewiss, dass ich die Kunst der Alchemie und der Gegengifte sehr wohl beherrsche. Und wenn ich euch sage, dass ihr liegen bleibt, dann tut ihr das auch gefälligst!“ Etwas erstaunt über den aggressiven und doch besorgten Ton von Tyrena, leistet Morpheus ohne weitere Widerrede Folge.
„Das war eine Tarantula Pregnaris, eine hellgrüne Riesengiftspinne, die euch verwundet hat. Zwar kenne ich diese Monster nur aus Büchern, doch die Farbe und Größe sind unverkennbar. In bin in meinen Alchemiebüchern darauf gestoßen, als ich Lektionen über Gegengifte suchte. Ihr hattet wahrlich Glück, dass ich die Pflanzen für das Gegengift dabei hatte, ich weiß nicht, ob ich euren Arm sonst hätte retten können.“, beendet sie ihre Ausführungen. Bei diesen Worten versucht Morpheus vorsichtig seine Hand zu bewegen, dann langsam den Arm zu heben. Als beides unter starken Schmerzen jedoch funktioniert, atmen beide erleichtert auf. „Wunderbar“, beginnt Tyrena, „versucht jetzt bitte vorsichtig euch hinzusetzen.“ Als Morpheus sich aufgerichtet, hat Tyrena auch schon eine Seidenstoffbinde in der Hand und verbindet Morpheus den zum Glück nur leicht blutenden Arm. Als sie die Binde fest zuzieht, beißt Morpheus wieder die Zähne zusammen. „Verzeiht, aber mit dem festen Verband will ich versuchen, dass sich das restliche Gift nicht noch weiter ausbreitet. Zwar habe ich die Erstversorgung geleistet, jedoch müsst ihr bald von einem Heiler behandelt werden.“, entgegnet Tyrena.
Als Tyrena die Binde fertig angelegt hat und aufsteht, nickt sie Morpheus kurz zu, der nun auch vorsichtig wieder aufsteht. Seine Lippen zeigen ein Lächeln, als er auf Tyrena zugeht und in den Arm nimmt: „Vielen Dank für eure schnelle Hilfe, werte Tyrena!“
Anmerkung: Mein Freund meinte: "Du lässt den Morpheus wie nen Waschlappen darstehen, so wie der da rumpienzt!" Um derartigen Kommentaren vorzubeugen: Nein, der Morpheus ist kein Weichei, der hat Grund dazu, dass dem das so böse Aua macht, aber das erklär ich mal in einer der nächsten Geschichten