Selbstbewusst stolzierte er herein. Ein Zwerg. Mit glänzender Plattenrüstung, einen Schild auf dem Rücken, einer gewaltigen epischen Streitaxt im Gürtel. Alle Sachen schimmerten leicht durch ihre Verzauberung, überall sah man teure Sockelsteine. Der Verkäufer, ein Jäger aus dem Volk der Worgen, dachte sich gleich das entsprechende.
Der Zwerg schaute sich ein wenig um. Einige große Pergamente mit Zeichnungen hingen an den Wänden und zeigten, was man so im Angebot führte. Der Worge merkte es sich gut, wo der Zwerg nur kurz drauf schaute und wo er länger verharrte. Das Käuferprofil war rasch erstellt.
Nach einer Weile kam der Zwerg dann auf den Worgen zu. Der ging die letzten Schritte dem Zwerg entgegen. „Guten Tag, der Herr. Darf ich ihnen behilflich sein?“ Der Zwerg brummelte. „Guten Tag. Ich bräuchte ein neues Reittier.“ Der Worge unterdrückte ein Schmunzeln. Der Kunde durfte nicht das Gefühl bekommen, nicht ernst genommen zu werden. Ein Reittier? Was sonst! Was anderes verkaufte man hier ja auch nicht.
„Ein Reittier, nun da haben wir eine reichliche Auswahl. Haben sie schon etwas Genaueres im Auge oder darf ich ihnen einige Vorschläge unterbreiten? Geht es um ein Reittier für das Gelände und die Straße oder soll es auch fliegen können?“ „Hm, einen Greif.“ „Ah, ein Greif. Sie kennen sich mit den Modellen aus?“ „Nun, ich habe einen Greif. Nun, ich hatte einen älteren Greif, um es genauer zu sagen. Leider gab es ein kleines Problem.“ Der Jäger konnte es sich schon vorstellen. Derartige Fälle gab es fast täglich. Er half seinem Kunden auf die Sprünge „Das Gewicht?“ „Hm, nun ja. Wir waren auf einem Berghang, ich kam mit reichlich Beute aus einer Höhle. Ich stieg auf, der Greif sprang in die Tiefe und breitete seine Flügel aus. Hm.“
Vor dem geistigen Auge des Worgen spielte sich das Drama ab. „Sie sind ja zum Glück ein Schutz-Paladin.“ „Hm, ja. Es machte Knacks und der Greif ging wie ein Stein direkt nach unten. Beide Flügel gebrochen. Ich wirkte noch einen Gottesschild, leider half das dem Greifen nicht. Als ich auf ihm einschlug, nun er musste wenigstens nicht lange leiden.“
Ein paar Augenblicke war es still. „Und nun möchten sie einen jungen und kräftigeren Greif?“ „Ja, das schwebt mir so vor.“ „Haben sie schon mal mit dem Gedanken gespielt, sich etwas anderes als Reittier anzuschaffen? Sie sind ein stattlicher Mann. Wenn ich das so sagen darf, sie scheinen nicht am Hungertuch zu nagen. Ein entsprechend stattliches Reittier würde sicher gut zu ihnen passen.“ „Hm, nun ja. Ich trage mich zwar schon mit dem Gedanken was anderes zu kaufen, aber die Nachteile!“ „Den Kaufpreis, sagen wir für einen Drachen?“ Der Zwerg zupfte sich am Bart. „Ein Drache wäre schon was Feines. Das Gold dafür gäbe ich schon gerne aus. Aber die Nachteile halt. Etwa
die Unterhaltungskosten, das Problem einen Landeplatz in der Stadt zu bekommen.“
Der Worge konnte nicht mehr anders. Er lachte. „Mein Herr! Ich glaube, sie wissen nicht wirklich viel über Drachen. Welche Unterhaltungskosten meinen sie?“ „Na das ganze Futter, was so ein Drache braucht. Der frisst mir doch garantiert die Haare vom Kopf!“ Der Worgen Jäger hielt energisch dagegen. „Nein, mein Herr. Sie haben ja gerade zwei Punkte genannt, die einander ergänzen. Ein Drache ist ein Selbstversorger. Nehmen sie mal Sturmwind. Sie wollen mit einem Drachen zum Auktionshaus. Unten auf dem Platz ist alles voller Greife. Ihr Drache wird landen und wenn sein Platz frei ist, brauchen sie sich an dem Tag nicht mehr um Futter zu kümmern. Sie verstehen?“ Der Zwerg bekam große Augen. „Hm, meinen sie? Aber was wird sein Besitzer sagen, wenn er von seinen Geschäften zurückkehrt?“ Der Worge lächelte. „Drachen sind kluge Tiere. Und wie sie schon richtig festgestellt haben, sind es auch hungrige Tiere. Das geht ganz schnell. Eine Landung, die Flügel ausbreitend, mal mit dem Kopf unter die Flügel. Sind ihnen denn noch nie auf dem Platz die verbeulten Rüstungen und die zerbrochenen Waffen, die Blutflecke aufgefallen?“
Der Zwerg staunte. „Ich dachte, das wären die Reste vom letzten Besuch der Horde!“ „Das kann zwar so sein, muss es aber nicht.“ Der Zwerg lief plötzlich rot an. „Aber das ist ja ungeheuerlich. Glauben sie, dass es ein Drache auch wagen würde, wenn ich auf einem Greifen beim Auktionshaus bin?“ Der Worgen Jäger wog langsam seinen Kopf. „Nun, sie sind stattlich ausgerüstet aber ganz gewiss sieht sie ein Drache mit anderen Augen, als wenn da ein kleiner dürrer Gnom mit einem Gyrokopter oder auf einem Teppich unterwegs ist. Eines kann ich ihnen aber garantieren. Wenn sie selbst auf einem Drachen sitzen, wird ihnen keiner so schnell nahe kommen!“
„Ich will einen Drachen!“ Der Worge lächelte. „Eine gute Entscheidung, der Herr. Es gibt natürlich eine große Auswahl verschiedener Modelle. Einen jungen Drachen, frisch gezähmt. Ältere Drachen, die sich freiwillig fangen ließen, natürlich auch gebrauchte Drachen. Wobei ich die nur unter großen Vorbehalten empfehlen kann.“ „Gebrauchte sind doch gewiss, nun ich will nicht geizig klingen, sie sind doch gewiss am günstigsten?“
Der Worge
sträubte seine Haare. „Mein Herr, Günstiger, ja. Empfehlenswert, nur bedingt. Ich erinnere mich da an einige Fälle, wo, nun die Erben uns in Regress nehmen wollten. Da bekamen wir einen hübschen großen Drachen über das neutrale Auktionshaus rein. Ein Zwerg kaufte ihn, flog nach Sturmwind. Dummerweise stürzte sich der Drache sofort auf eine Greifenwache und zerrupfte die im Flug. Sie können sich vorstellen, wie es weiter ging. Es stellte sich raus, der Drache gehörte vorher einem Ork, der hin und wieder mal geschäftlich nach Sturmwind kam.“ Der Zwerg winkte ab. „Das kommt bestimmt nicht täglich vor!“ „Ja, aber sie müssen auch damit rechnen, dass die Drachen gewisse Eigenarten ihrer Vorbesitzer übernehmen oder wenn sie schlecht eingeflogen werden in der Folge Dinge geschehen, die ihnen nicht gefallen. Neulich erst bekamen wir einen Drachen zurück, der von seinem Vorbesitzer die Unart gelernt hat, mit gezielten Flügelschlägen Gnome durch die Luft purzeln zu lassen. Sein Besitzer mochte wohl das Geräusch, wenn sie schreiend durch die Luft flogen und dann auf Dächer und an Hauswänden aufschlugen. Ein Drache hatte die Unart, nach jeder Landung erst mal einen Flammenstrahl in die Luft zu pusten und ein paar Dachstühle in Brand zu setzen, was dann die Bewohner und die Feuerwehr auf den Plan rief. Der letzte Besitzer bekam deshalb ein Flugverbot in Sturmwind und in Eisenschmiede ausgesprochen und die Rechnung, die war echt saftig.“
„Also schön. Wie schaut es dann mit den jungen Drachen aus?“ „Sie sollten Drachen nicht nach den Attributen Jung oder Alt einteilen. Ein Drache kann Uralt werden. So alt, dass selbst ihr Ur-Ur Enkel noch damit fliegt. Von daher gesehen ist die Investition mehr als nur der Kauf eines Reittieres, was man mal ein paar Jahre hat. Wir unterscheiden Drachen nach ganz anderen Kategorien und Kriterien. Es gibt welche, die sind sportlich und spontan, andere sind mehr komfortabel und behäbig. Wenn sie es lieben in Saltos mit Rückwärtsschrauben durch die Luft zu rasen, was etwa bei einem Luftkampf sehr von Vorteil ist, dann sollten sie ein sportliches Modell nehmen. Wird es ihnen hingegen schon übel wenn das Reittier nur mal in einem Luftloch nach unten sackt, sollten sie eher einen Komfort-Drachen nehmen. Auch die können durchaus im Luftkampf Gegner auf Abstand halten und am Boden sind sie ebenso beachtlich.“
Der Paladin zeigte sich unschlüssig. „Ich mag dieses rasen eher weniger. Also lieber einen Komfort-Drachen.“ „Fein. Ein paar Fragen muss ich leider noch stellen, damit es keine Missverständnisse gibt. Sie leben in einer Beziehung, sie sind glücklich verheiratet, sie haben Kinder?“ Der Zwerg runzelte die Stirn und wurde unwirsch. „Was geht sie das an?“ „Nun, mich geht es nichts an, aber den Drachen den sie zu erwerben wünschen. Darf ich frei reden?“ „Bitte sehr!“ „Wenn sie in einer sehr unglücklichen Beziehung leben und sie schon einen, sagen wir mal Hausdrachen haben, dann kann ein Reitdrache das Problem lösen. Anders herum wäre es ihnen sicher nicht recht, wenn ihr Drache auch hinsichtlich ihrer Familie einen ungezügelten Appetit entwickelt. Wir unterscheiden da zwischen dem Modell eines Single-Drachen und dem Familiendrachen. Und da wir bereits das Thema haben, ein Tipp von Mann zu Mann. Sollte ihre Frau sich mit dem Gedanken tragen einen Drachen kaufen zu wollen, dann sollten bei ihnen alle Alarmglocken schlagen. Satteln sie auf jeden Fall sehr kurzfristig auf einen eigenen Drachen um!“
„Hm, ich bin Alleinstehend. Aber ich trage mich mit dem Gedanken, nun ich bin dem weiblichen Geschlecht gegenüber nicht abgeneigt.“ „Dafür haben wir Kombimodelle. Drachen, die auf ihren Reiter abgerichtet sind, sich aber gemäßigt gegenüber anderen Leuten verhalten, die man zur Familie zählen kann. Dann wären nur noch wenige Punkte zu klären. Je nach Gattung haben Drachen mehr oder weniger große Schuppen, die von Zeit zu Zeit abfallen. Wir hatten auch mal gefiederte Drachen im Angebot, aber die haben sich nicht wirklich bewährt. Es gibt auch welche, die wie Fledermäuse reine Hautflügler sind. Unter stattlichem Erscheinungsbild verstehe ich aber etwas anderes. Einen Nacktmolch zu reiten macht wohl mehr Spaß. Sie sollten auch darüber nachdenken, wie sie den Drachen unterbringen. Eine hübsche Höhle oder ein Stollen wäre angemessen. Einige Modelle lieben es einen Schatz zu bewachen. Wenn sie ihr Gold sicher verwahren wollen und eher anhäufen als wegnehmen, wird ihr Drache sehr glücklich darüber sein. Da Drachen einen guten Geruchssinn haben, werden selbst verstohlene Schurken und unsichtbare Magier nicht weit kommen. Sollten sie eher dazu neigen auszugeben als anzuhäufen, rate ich ihnen sehr von einem Behüter ab. Die können dann durchaus garstig werden, da sie nach einiger Zeit dem Irrglauben verfallen, der Schatz gehöre ihnen. Einige Drachen ziehen einfachen Felsboden vor, es gibt auch welche, die fühlen sich erst wohl, wenn genug verbrannte Knochen und vergammelte Speisereste herumliegen. Ach ja, und ein Formular möchte ich ihnen noch geben.“
Der Zwerg schaute verdattert drein. „Ein Formular? Für was?“ „Ihre Versicherung. Eine kleine Police für Vermögensschäden und Personenschäden, falls doch mal auffällt, dass ihr Drache da auf dem Platz gelandet ist, wo vorher ein Greif mit Besitzer gewesen ist. Oder falls aus welchen Gründen auch immer ihr Drache einem anderen zu nahe kommt. Sie sollten wissen, Drachen sind sehr Gebietsergreifend und herrisch. Wenn ein Drache auf einem Platz ist, wird er keinem anderen Drachen Platz machen. Egal wie groß oder stark der andere ist. Das kann sehr schnell in einem äußerst unschönen Kampf enden und das entsprechende Viertel der Stadt wird dann anschließend ein wenig … anders aussehen. Außerdem sollte man darauf achten, wenn die Drachen brünstig sind. In dem Fall rate ich ihnen ganz entschieden davon ab, einen Ort aufzusuchen, wo man einen anderen Drachen antreffen könnte.“
Wieder einmal zupfte der Zwerg an seinem Bart. „Hm, kommt das oft vor?“ Der Worge zeigte sich freundlich „Abhängig vom Modell. Die Männchen sind natürlich öfter am anderen Geschlecht interessiert als die Weibchen. Ich würde sagen, wir gehen einfach mal zu unseren Höhlen und sie schauen sich ein paar Drachen an!“ Eifrig nickte der Zwerg und legte eine Hand auf den Knauf seiner epischen Streitaxt. „Genau. Genug der Worte. Es ist Zeit für Taten!“ Nachdenklich blickte der Worge auf die Axt. Ob das gut ging?