Im Rahmen des WarCraft-Jubiläums wurde Tom Chilton (Game Director) auf der offiziellen
Website interviewt. Neben einer Beschreibung über den Entwicklungsprozess des Online-Rollenspiels beantwortete er auch Fragen über den "Etwas für Alle"-Ansatz und wie sich das Casual-Konzept (für Gelegenheitsspieler) mit der Zeit durchgesetzt hat.
Frage: Kann man sagen, dass der "Etwas für Alle"-Ansatz des Spiels, den wir heute haben, zu diesem Zeitpunkt in der Entwicklung des Spiels noch nicht vorhanden war?
Tom Chilton: Es war definitiv kein Teil der Philosophie. Damals hatten wir eher eine Vorstellung von zwei Spielertypen: die Hardcore-Spieler und diejenigen, die eben keine Hardcore-Spieler waren. Zweitere würden wahrscheinlich einen Charakter auf Stufe 60 spielen und dann das Spiel entweder beiseite legen, bis die nächste Erweiterung herauskommt oder einen neuen Charakter starten, den sie erneut auf 60 spielen und Quests auf unbestimmte Zeit wiederholen. Es waren wirklich nur die Hardcore-Spieler, die Endgame-Inhalte würden sehen wollen und der Großteil unseres Designs für ebendiese Inhalte zielte also auf Hardcore-Spieler ab, wie wir sie aus EverQuest kannten. Sie wollten wirklich große Herausforderungen, sie wollten einen großen Organisationsaufwand und sie wollten oft an den Aufgaben scheitern, um dann beim endgültigen Sieg wirklich glücklich darüber zu sein. Zu
diesem Zeitpunkt hatten wir noch kein wirkliches Konzept von Casual-Spielern, die Wert auf Endgame-Inhalte legen.
Frage: Das Konzept "Casual-Spieler eines MMO" allgemein gab es zu dieser Zeit noch nicht wirklich.
Tom Chilton: Exakt.
Frage: Wann begann sich diese Philosophie zu ändern?
Tom Chilton: Ich würde sagen, eine erste Veränderung begann mit Zul'Gurub. Da gab es die ersten Anzeichen dafür, dass die Organisation von 40 Leuten nicht gerade etwas für jeden und auch schwierig umzusetzen war. Da gab es viele kleinere Gilden, die Endgame-Inhalte spielen wollten, also haben sie einfach immer wieder Runs durch die obere Schwarzfelsspitze gemacht. Aber danach gab es einfach nichts mehr für sie zu tun, sie steckten fest und es gab keinen Fortschritt. Da haben wir dann gedacht, wir könnten einfach ein alternierendes Programm bieten*- dieser Patch ist für die kleineren Gilden und der nächste bietet dann eine weitere Zone für die Schlachtzüge der Hardcore-Gilden - und das immer im Wechsel. Nachdem wir das für eine Weile durchgezogen hatten, wurde uns klar, dass das alles einfach zu langsam vonstatten ging. Es entstanden einfach riesige Lücken von sechs Monaten, in denen Spieler keine Inhalte für ihre Spielpräferenz sehen würden.
Das war uns nicht gut genug. Mit Ahn'Qiraj haben wir dann versucht, das Problem anders anzugehen und stellten gleichzeitig eine Version für 20 und 40 Personen vor. Das Ergebnis war besser, aber die Menge an Zeit, die wir dafür benötigten und die Tatsache, dass 20 Personen immer noch ziemlich "Hardcore" war, führten letztendlich zu der Entscheidung, die wir für Burning Crusade gefällt haben - um allen Spielern mehr Inhalte zu erschließen, würden wir Dungeons für 10 Personen bieten und die großen Sachen wären dann mehr für 25 Personen. Wir dachten uns, das wäre noch episch genug, obwohl sich viele Diskussionen damals um das Thema drehten, "Sind 25 Spieler wirklich ein episches Erlebnis?" oder "Es ist so seltsam, dass es nur 25 Mann brauchen soll, um einen bekannten Gegner aus dem WarCraft-Universum zu schlagen", was wirklich komisch ist. Heute denkt niemand mehr zweimal darüber nach, aber damals hatte sich die Ansicht verankert, dass wirklich 40 Leute vonnöten wären, um einen Kampf episch zu machen.
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Frage: Welchen Einfluss hatten die sich vervielfachenden Spielerzahlen und der überragende Erfolg auf die Art, wie das Spieldesign angegangen wurde?
Tom Chilton: Wir mussten viele schwere Lektionen über das Vorausplanen des schlimmsten anzunehmenden Falles lernen. Wenn ich jetzt sage "des Schlimmsten", dann meine ich Problemfälle, über die wir uns eigentlich glücklich schätzen konnten*- beispielsweise, wenn man zu viele Spieler hat, die spielen wollen. Wir haben uns das durch den Kopf gehen lassen, als Burning Crusade startete. "Das wird eine Riesenmasse an Leuten gleichzeitig auf der Höllenfeuerinsel ankommen - wie werden wir das bewältigen?" Wir hatten die Befürchtung, es würde einfach viel zu voll werden, als gestalteten wir die Zone wirklich weitläufig, außerdem wurden die Fraktionen nach dem Durchschreiten des dunklen Portals auf verschiedene Bereiche aufgeteilt. "Allianz, ihr geht nach dort drüben zur Ehrenfeste und die Horde, ihr geht nach Thrallmar, immer schön Abstand voneinander halten!" In Wrath of the Lich King sind wir mit den getrennten Startzonen sogar noch einen Schritt weitergegangen - im Grunde genommen haben wir damit ihre Belastung halbiert. Bei Projekten wie Tausendwinter wussten wir wirklich nicht, was wir zu erwarten hatten. Das war eine riesige, nebulöse Sache - designten wir für 15 Leute, die sich dort herumtreiben würden, oder doch eher für 100? Seitdem haben wir einfach gelernt, welche Designprinzipien wir anwenden mussten, um besser auf Belastungsspitzen vorbereitet zu sein. Weiterlesen...