Der Boden war blutgetränkt, doch dies lag schon viele Jahrzehnte zurück.
Dennoch spürte Borladim den Schmerz und das Leid, welches dieses Land überzogen hatte.
Seine "Gabe", wie sein Bruder sie nannte, brachte ihm in seiner Sippe selten mehr als ein Stirnrunzeln, häufig sogar Gelächter ein.
Und nicht zuletzt deswegen hielt er sich soweit es ging von ihnen fern.
Nur sein Bruder, der sich als Schmied in Kharanos verdingte, und seine Mutter, bei der sein Bruder lebte verstanden und respektierten den Weg den er eingeschlagen hatte. Auch wenn sein Vater erst mit Unverständnis reagierte als Borladim ihm eröffnete das er weggehen würde um mit der Natur im Einklag zu leben, ließ er ihn dennoch ziehen, nicht zuletzt weil auch sein Vater dieses Pfad beschritten hatte.
Als er sich von seinen Eltern und seinem Bruder, damals kaum ein
Halbwüchsiger, verabschiedete überreichte ihm sein Vater zwei Geschenke, die beiden wertvollsten Sachen die er noch heute besaß. Das Erste war der Bogen seines Großvaters mitsamt seinem Köcher und Pfeilen.
Das Zweite sah auf den ersten Blick aus wie ein Fellknäuel, so groß das seine
Mutter es allerdings auf dem Arm tragen musste um es nicht fallen zu lassen.
Als sich das Fellknäuel reckte und gähnend zu ihm herübersah erkannte Borladim allerdings was es war und musste sich beherrschen vor Freude nicht zu weinen.
Sein Vater musste
ein halbes Vermögen für das Schneetigerwelpen ausgegeben haben, welchem er bals denn Namen Baghira gab.
Sogar sein Vater kämpfte mit den Tränen als Borladim sich endgültig verabschiedete und als er zehn Jahre später das erste Mal wieder nach Hause kam und erfuhr das sein Vater seit vier Jahren tot war, hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als ihn an diesem Tag des Abschieds umarmt zu haben.
Aber ein Bugmann zeigte keine Gefühle, solange er nicht betrunken genug war um sich am Tisch festhalten zu müssen, sagte sein Vater stets.
Baghira spürte es auch, sein treuer Gefährte hatte ihm nicht nur schon unzählige Male das Leben gerettet, sondern teilte seine Gabe auf eine Weise, wie es nur Tiere können. Baghira war alt, aber sie hatte nichts von ihrer Stärke eingebüßt und vor ihr lagen noch einige Jahre bis sie zu alt sein würde um mit ihm durch die Wälder zu streifen.
Ein Geräusch, kaum lauter als ein Zweig auf den man tritt, ließ Borladim herumfahren und den Bogen anlegen. Baghira begann leise zu knurren.
Plötzlich keimte in Borladim eine mächtige Furcht auf wie aus dem nichts, er hatte dieses gefühl bislang selten Erfahren und kämpfte es nur mühsam nieder.
Kaum hatte er sich wieder im Griff preschte ein Kreatur, hässlich wie die Nacht und gefährlich wie die Hölle selbst, durch das Unterholz vor ihm und hielt direkt auf ihn zu.
Sein Pfeil flog
los und prallte am knochigen Schädel des Teufelshäschers ab. Weniger als zwei Meter von Borladim entfernt sprang die Bestie auf ihn zu und in Sekundenbruchteilen wurde ihm klar das er entweder von der enormen Wucht der Kollison zerschmettert, oder anschließend von den Klauen und Zähnen der Höllenbrut zerfetzt werden würde.
Doch kurz bevor der Häscher ihn erreichte wurde er zur Seite gerissen und jaulte auf. Baghira hatte ihn in letzter Sekunde abgefangen und kämpfte nun mit Prankenhieben gegen ihn, versuchte aber auf Distanz zu bleiben.
Borladim legte auf die Bestie an, bemerkte aber gerade noch rechtzeitig die Gestalt links von ihm. Mehr tot als Mensch und mit fahler Haut stand sie da, ganz in schwarz gekleidet. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, welches keines mehr war, als sich das schwarze, absolut Böse in ihren Händen manifestierte. Dann schleuderte sie die Kugel in Borladims Richtung, aber dank seiner aussergewöhnlichen Reflexe reagierte er schnell genug um sich zu Boden zu werfen bevor die Kugel ihn erreichte.
Sie schlug in einen Baum hinter ihm und als dies geschah, passierte etwas unheimliches mit dem Baum. In Sekunden alterte er um mindestens 500 Jahre und zerfiel zur Asche.
Doch Borladim hatte keine Zeit dieses Schauspiel zu betrachten sondern legte auf den Hexenmeister an. Er hatte nur dieses Schuss, dass wusste er, deshalb zielte er sorgfältig und ließ sich nicht aus der Ruhe bringen auch als die Gestalt ein neues Ritual begann.
Der Pfeil flog und Borladim wusste in dem Moment als er die Sehne losließ, das er treffen würde. Auch der Untote schien es zu wissen, denn kurz bevor der Pfeil sein verfaultes Herz durchbohrte, stahl sich eine ungläubige Erkenntnis auf sein Gesicht, die Borladim nie mehr vergessen würde.
Noch während der Hexenmeister zu Boden fiel drehte sich Borladim wieder zu Baghira um, um ihr zu helfen. Aber sie war nicht mehr da, ebensowenig der Teufelshäscher. Eine unheimliche Stille machte sich breit.
Dann hörte er ein knistern im Gebüsch vor ihm und legte einen speziellen Pfeil, dessen gehärtete Spitze auch den Dickschädel der Bestie durchschlagen würde.
Doch anstatt in die Fratze einer Höllenkreatur blickte er in Baghiras treues Gesicht. Sie hinkte ein wenig und als er zu ihr eilte und ihr über den Kopf streichelte sah er den Grund dafür. Ihre rechte Flanke war an zwei Stellen aufgerissen und blutete. Nichts lebensgefährliches aber dennoch machte er sich daran Baghira schnell aber wirksam zu verbinden.
Anschließend aßen beide etwas und tranken Wasser aus Borladims Feldflasche, die er stets bei sich trug.
"Lass uns aufbrechen Baghira, ich will nach Hause", sagte Borladim und Baghira quittierte es mit einem zustimmenden Schnurren.